Ehrlich, ich würde mich freuen, Sie als Kunden begrüßen zu dürfen!

10.03.2018

Aber nicht um jeden Preis.

 

Eine Frage zu Beginn: Wie läuft Ihr Hund meistens, wenn er kann, wie er will?

a)

geht er (fortbewegen im Schritt)?

b)

läuft er (fortbewegen im Trab)?

oder c)

rennt er (fortbewegen im Galopp)?


Welche Gangart legen SIE am liebsten ein?

Und nun zu Ihnen: Waren Sie in letzter Zeit einmal in einem Museum? (Oder ausgiebig shoppen 😇...) Was denken Sie, wieviel Kilometer Sie dort gelaufen sind? Wie haben Sie sich danach körperlich gefühlt? (Ich bin danach ganz schön geschlaucht, ehrlich!)

 

Wenn Sie die gleiche Strecke auf dem Weg z.B. zu Ihren Freunden in einer strafferen Gangart gelaufen wären, wären Sie dann ähnlich angestrengt gewesen?

 

Und letztendlich: die gleiche Strecke im Ausdauerlauf. Welche Gangart hätte Ihnen die meiste Kraft gekostet?

 

Wenn SIE Ihre Geschwindigkeit wählen können, welche bevorzugen Sie für längere Strecken Fußweg und warum?

 

Für uns Menschen ist (eine durchschnittliche Gesundheit und Fitness vorausgesetzt) die mittlere Gehgeschwindigkeit am wenigsten ermüdend. Das liegt daran, dass wir hauptsächlich solche Muskeln haben, die bei dieser Art der Fortbewegung längere Zeit gleichmäßig arbeiten können ohne allzu viel Energie zu verbrauchen und zu ermüden.

Warum läuft der Hund wie er läuft?

Wie haben Sie die eingangs gestellte Frage beantwortet? Max kann wohl im Schritt gehen, aber wenn er kann wie er will, trabt er meist. Ihrer auch? Wenn Ihr Hund halbwegs fit ist, wird es wohl so sein! Warum tut er das und warum gehen Sie am liebsten mit relativ flottem Schritt? Weil es am wenigsten anstrengt und die wenigste Energie verbraucht.

 

Bei Wölfen dient die Fortbewegung vor allem der Nahrungsbeschaffung und der Revierkontrolle. Es ist nachgewiesen worden, dass sie in Europa ein Revier der Größe zwischen 82 und 243 Quadratkilometern in ca. 10 Tagen ablaufen*. Um das zu schaffen, hat ihre Muskulatur spezielle Mechanismen zum Energiesparen entwickelt.

 

So wurde festgestellt, dass  sich die Muskulatur des Hundes wie eine Feder verhält: bei Bodenkontakt wird durch das Körpergewicht des Hundes die "Feder" zusammengedrückt. In diesem Moment wird elastische Energie als potentielle Energie gespeichert. Diese Energie wird danach für den Vortrieb genutzt. Es ist also deutlich weniger Muskelarbeit nötig, als wenn dieser Effekt nicht vorhanden wäre. Dabei ist interessant, dass für die Menge der gesparten Energie auch die Gangart wichtig ist. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit ist im Trab keine weitere Energie mehr einzusparen, wohl aber im Galopp! Besonders im Trab können jedoch bis zu Dreiviertel der Arbeit der Muskulatur durch Rückgewinnung nutzbar gemacht werden. Diese Energiesparmechanismen funktionieren am besten bei gleichmäßiger, zyklischer Bewegung. Damit kann man erklären, dass der Hund im Trab am Fahrrad kaum ermüdet*!

 

In manchen im Internet kursierenden Artikeln wird das am Mitlaufen am Fahrrad mit dem natürlichen Traben der Wölfe beim Ablaufen ihres Reviers gleichgesetzt. Ich glaube allerdings, dass die Wölfe dabei mehr zu tun haben, als ihre 50 km am Stück so gleichförmig wie am Fahrrad abzulaufen. Es ist energiesparend, aber nicht optimal als  Mittel zur Auslastung geeignet.

Und was hat das mit Hundephysiotherapie zu tun?

Bei dieser gleichförmigen Bewegungsart schlagen bei jedem Schritt die selben Stellen der Gelenkpartner gegeneinander. Das führt zu einer hohen punktuellen Belastungen des Gelenkknorpels. Und die Beanspruchung ist umso größer, je härter der Untergrund ist. Denn dann gibt dieser die auftretenden Stöße jedes Mal ungedämpft an die Gelenke des Hundes weiter. Daraus resultiert die Gefahr den Knorpel zu beschädigen, was in der Folge zu Entzündungen bis hin zur Entstehung einer Arthrose führen kann.

 

Richtungswechsel jedoch und häufige Geschwindigkeitsänderungen, wie sie der Hund im Freilauf beim Suchen und Schnüffeln etc. wählt, erfordern Muskelarbeit, die nicht durch diese Energie - Rückgewinnung gespeist werden kann. Dabei werden auch immer wieder andere Bereiche der Gelenke belastet, sodass die Punktbelastungen nicht so hoch sind. Es wird mehr Energie verbraucht aber die Gefahr der Gelenksverletzung sinkt.

 

Dies gilt jedoch nicht für die abrupten Stopps und Richtungswechsel bei Stöckchen-werfen & Co. Der Hund ist in der Lage, Richtungswechsel ohne Verringerung der Geschwindigkeit durchzuführen*. Die daraus resultierenden Scher- und Fliehkräfte stellen eine große Belastung für die Gelenke dar und führen oft zu Verletzungen. Auch diese Form der Beschäftigung sollte also möglichst vermieden werden!

 

Langer Rede kurzer Sinn: Vielleicht würde ich Sie deshalb irgendwann als Kunden begrüßen.

Es würde mich allerdings mehr freuen, Sie und Ihren treuen Freund auf anderem Wege kennen lernen zu dürfen!

Aber wie soll der Hund dann ausgelastet werden- dieses Energiebündel?

Jede körperliche und geistige Aktivität verbraucht Energie. Beim reinen Spazierengehen werden gerade einmal 5% der täglichen Energiemenge verbraucht**. Ein großer Teil der Energie wird durch den Erhalt der Körpertemperatur aufgebraucht.

Hunde haben wie wir Menschen Mechanismen, die die Körpertemperatur auf einem gleichbleibenden Niveau halten. Sie beträgt im After gemessen beim gesunden Hund zwischen 37,5°C und 39,0°C.

 

Bei einer 10-minütigen Apportierarbeit erhöhte sich bei Untersuchungen die Temperatur auf 41,8°C. Diese Erhöhung der Temperatur auf einen normalen Wert zurückzuführen verbraucht Energie! Interessant ist der Vergleich mit der Entwicklung der Körpertemperatur von Schlittenhunden: sie stieg bei versammeltem Galopp innerhalb der ersten 15-20 min stark an, um sich nach 20-25 min auf einem Plateau bei 40°C zu stabilisieren oder leicht abzufallen***. Daraus lässt sich ableiten, dass in Bezug auf die Regulierung der Körpertemperatur beim Apportierspiel mehr Energie verbraucht wird als beim Langstreckenlauf!

 

Und nun kommt noch eine weitere wichtige Komponente hinzu: die geistige Auslastung. Mal ehrlich: Fahrradfahren braucht nicht viel Grips, nebenher laufen erst recht nicht. Der Hund braucht keiner Fährte zu folgen und muss keine Strategien entwickeln, ein Ziel zu erreichen. Ziemlich langweilig- und für einen aufgeweckten Hund auf Dauer auch frustrierend. Denn er kann nichts von dem tun, was Hund-sein bedeutet. Kein Revier markieren, keinen Sozialkontakt pflegen und keine Entscheidungen treffen außer: dranbleiben!

 

Um Ihren Hund gut und artgerecht auszulasten bedarf es also mehr als einer Stunde Radfahren. Und das muss gar nicht mehr Zeit kosten- im Gegenteil! Immer mal ein paar Suchspiele in den Spaziergang eingebaut, dem Hund eine Duftspur legen, ihn über oder unter Hindernisse führen, die Unebenheiten abseits der Wege nutzen... So wird Ihr Hund müde - und glücklich!


*, **, ***: Quellen

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