Kann man guten Gewissens einen Hund halten?

28.07.2017

Einen Hund zu halten mit all den Konsequenzen, die artgerechte Haltung und Gewaltfreiheit im Umgang mit dem Tier erfordern, ist schlicht unmöglich.


Ein Maulkorb zum Schutz vor dem Aufnehmen von Giftködern behindert die Freiheit des Tieres. Die Leinenpflicht nicht? 

Einem Hund die Leinenpöbelei abzugewöhnen, in dem man ihn im Sitz zurückhält macht ihm unnötigen Stress; wenn man den Hund jahrelang brüllen und toben lässt, bis einmal eine Situation eintritt, in der man das richtige Verhalten klickern kann, ist stressfrei??

Hundehaltung in der Wohnung ist artgerecht? Ihm im Garten einen Platz zuzuweisen entspricht dem Tierschutzgedanken?

Einen Auslandshund, der möglicherweise in einem gesunden Rudel in ländlichem Bereich seinen Bedürfnissen nachgehen konnte – ist als Einzelhund in einer belebten Stadt „gerettet“??

Ein todkranker Hund muss ewige Therapien über sich ergehen lassen – wo Mensch sich schon lange die allerletzte Reise ins Ausland wünschen würde??

Ist es artgerecht, dem Hund das Jagen, Bellen u.a. zu verbieten? Ich höre jetzt schon den Einwand: „Es kommt immer darauf an, wie man es mit dem Hund aufgebaut hat!“ Nun stelle ich mal eine andere Frage: Wie fühlt sich Mensch, wenn er seine Hände oder Sprache nicht benutzen dürfte? Egal wie man es ihm erklärt hat?

Hunde sollen „ausreichend soziale Kontakte zu Menschen, Bezugspersonen und Artgenossen“ haben. Wer definiert ausreichend (und wie viel bleibt stressfrei)?

Der Hund ist ein Rudeltier, das nicht lange alleine bleiben möchte. Man sollte genügend finanzielle Mittel haben, um den Hund artgerecht versorgen zu können. Der Hund braucht täglich seine körperliche Auslastung. Wer kann das ALLES vollumfänglich bieten? Der Berufstätige (hat die besten Chancen, finanziell gut gestellt zu sein), der Arbeitslose (hat bestimmt die körperlichen Möglichkeiten, den Hund auszulasten), der arthrose-geplagte Rentner (kann den Hund immer in seiner Nähe haben)? Der Hund soll (s)eine Bezugsperson haben - was ist dann mit Tagesbetreuung? Ist sie die Lösung? 

Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass sich bei jeder der hier aufgeführten Behauptungen/ Fragen bei einem Teil der Menschheit ein Klappmesser in der Tasche öffnet. Und ich biete hier keine Lösung an. Und kein Urteil. Und werde auch nicht darüber diskutieren, was richtig und was falsch ist. Denn pauschal ist dies nicht zu klären.

Welch Narr, der auf den ersten Blick zu erkennen glaubt, ob die freiheitsentziehende Maßnahme einer angelegten Leine dem Tier Sicherheit vermittelt oder Gewalt antut! Welch Narr, der vehement für Halsband oder Geschirr streitet und dabei übersieht, dass es sich bei beidem um Einschränkungen der Bewegungsfreiheit handelt! Welcher Aspekt hat Primat? Tierschutz oder artgerechte Haltung?

Vieles was wir unseren Hunden antun, ist definitiv nicht artgerecht, aber notwendig. Notwendigkeiten sind aber Festlegungen, und mithin nichts Naturgegebenes. Das sollten wir bei den hitzigen Diskussionen immer im Hinterkopf behalten. 

Ich bitte nur um eines: Respekt.

Ihr vom Glück Liebkosten,

die Ihr seit jeher einen Hund ohne Fehl und Tadel habt und die Ihr aufgrund eurer Erleuchtung jede Situation perfekt zu meistern versteht (ja, euch muss es geben! Wie wäre sonst so mancher Kommentar bei Facebook & Co. anders zu erklären?)...

lasset eure Weisheit im Glanze der Milde erstrahlen. Denn wisset, dass die meisten Menschen, die sich einen Hund zulegen, das trotz ihrer Unvollkommenheit tatsächlich aus tiefer Liebe zum Tier tun. Und dass sie das in ihrer Macht stehende tun, um diesem Tier gerecht zu werden und ihm ein schönes Leben zu bieten.

Dass sie bereit sind, an den Eigenheiten ihres Mitlebewesens zu wachsen, neue Erfahrungen zuzulassen, neue Wege zu beschreiten. Kompromisse zu schließen sowohl was ihre eigene Lebensführung, als auch die möglicherweise notwendig dem Hund zuzumutenden Einschränkungen betrifft. Dass sie täglich versuchen, die Balance zwischen artgerechter Haltung, Tierschutz und Schutz des Tieres (nein, das ist NICHT das selbe!) zu wahren versuchen. Und dass der Weg zum perfekt erzogenen Hund mitunter steinig und länger als 100m ist.

Dass niemand davor gefeit ist, dass ein letzter Tropfen in sein volles Fass fällt. 

Und dass jeder der das möchte ein Recht auf das Glück hat, das ein Hund zu geben willens und imstande ist.

Ich denke, dass jeder, der ein Tier verantwortungsbewusst halten möchte, gezwungen ist, sich ein System aus Kompromissen, Rechtfertigungen, Erklärungen und Wegsehen zu schaffen, um die Widersprüchlichkeit aller Belange, die das Tier betreffen, zu ertragen. Und das sollte ihm auch gestattet sein, solange der Nutzen, den das Tier daraus zieht, alles andere deutlich überwiegt. 

Es gibt nicht DAS EINE Rezept, Tierschutz UND artgerechte Haltung zu leben. Eigentlich gibt es gar keins. Schon gar nicht in einer Großstadt. Und jeder nähert sich dem Ideal auf seine (und seines Hundes) manchmal langwierige, mit Umwegen und Irrtümern behaftete und umständliche Weise. 

Kann man also guten Gewissens einen Hund halten?

Schauen Sie sich das Wesen an Ihrer Seite an. Fragen Sie Ihr Bauchgefühl, was es gerade braucht. Lassen Sie sich nicht verrückt machen von Normen, Tendenzen, Meinungen anderer. Lieben Sie entspannt. So können Sie guten Gewissens Ihren Hund (be)halten.

So soll es sein.

Artgerechte Tierhaltung, Tierschutz, Hundephysiotherapie Heike Amthor in Leipzig Stötteritz
Dem Hund eine Heimat geben.
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