Sie haben es vielleicht schon selbst beobachtet – oder Ihr Tierarzt hat Ihnen die Diagnose gestellt: Ihr Hund hat Probleme in einem Gelenk, zum Beispiel in der rechten Hüfte.
Nach einiger Zeit fällt Ihnen auf, dass er nun auch vorne links Beschwerden hat – vielleicht lahmt er leicht oder belastet die Schulter nicht mehr richtig. Aber eigentlich gibt es dort gar keine Verletzung, oder? Dieses Phänomen ist kein Zufall, sondern typisch für die Art und Weise, wie Hunde ihren Körper belasten und kompensieren.
Beim Hund sind die Gliedmaßen diagonal miteinander verbunden: rechte Vorderhand ↔ linke Hinterhand sowie linke Vorderhand ↔ rechte Hinterhand. Dieses Muster ist besonders im Trab deutlich erkennbar. Wenn also ein Bein Schmerzen bereitet, übernimmt die diagonal gegenüberliegende Gliedmaße automatisch mehr Gewicht und Arbeit, um die Stabilität aufrechtzuerhalten.
Beispiel:
Hat ein Hund Schmerzen im rechten Hinterbein, wird er das linke Vorderbein stärker belasten. Über Wochen oder Monate entsteht dadurch eine
Überlastung der linken Schulter, während sich die Muskulatur in der rechten Hinterhand zurückbildet oder verspannt. Auch Blockaden in der
Wirbelsäule können auftreten, die die Problematik weiter verschärfen.
Die diagonale Kompensation ist zunächst hilfreich – sie ermöglicht dem Hund, sich trotz Schmerz weiter zu bewegen. Langfristig führt sie jedoch zu einseitigen Muskelverhärtungen, Faszienverklebungen und asymmetrischer Körperhaltung. So können sich z. B. Arthrosen, Sehnenreizungen oder Faszienschmerzen auf der gegenüberliegenden Körperseite entwickeln, obwohl dort keine direkte Verletzung besteht.
Die Forschung zu den sogenannten „Faszialen Leitbahnen“ – beschrieben von Thomas W. Myers („Anatomy Trains“) und Carla Stecco („Functional Atlas of the Human Fascia“, die auch auf den Hund übertragen werden können) – belegt, dass Muskeln über Faszienzüge diagonal und spiralförmig miteinander verbunden sind. Diese anatomischen Zusammenhänge lassen sich sehr gut auf den Hund übertragen, denn sein Bewegungsmuster folgt denselben funktionellen Linien.
Manchmal scheint der Hund plötzlich auf einer ganzen Körperseite steif oder lahm zu sein – sowohl vorn als auch hinten. Das kann zum Beispiel bei Wetterumschwüngen oder überhaupt bei nasskaltem Wetter besonders oft beobachtet werden. Ursache ist eine verstärkte Entzündungsreaktion im Körper, die bei Hunden mit bestehenden Gelenkveränderungen leicht „überspringt“ und sich an einer Seite stärker zeigt.
Im Körper werden dabei Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet – etwa Interleukin-1-Beta (IL-1β) und Tumornekrosefaktor-Alpha (TNF-α). Diese Stoffe sind natürliche Bestandteile der Immunreaktion, können aber die Schmerzempfindlichkeit in allen Gelenken erhöhen. Das führt dazu, dass auch weniger betroffene Gelenke plötzlich empfindlich reagieren – meist dort, wo durch Kompensationsmuster ohnehin eine höhere Belastung besteht.
In der Hundephysiotherapie gilt: Man behandelt nie nur das lahmende Bein – sondern immer den ganzen Hund. Ein durchdachter Therapieplan umfasst:
Fazit
Ein Schmerz bleibt beim Hund nie isoliert. Der Körper reagiert ganzheitlich, diagonal und intelligent, um das Gleichgewicht zu halten – doch genau diese Fähigkeit kann langfristig neue Beschwerden erzeugen. Deshalb ist eine ganzheitliche physiotherapeutische Betrachtung entscheidend, um den Hund dauerhaft in ein harmonisches Bewegungsmuster zurückzuführen. Oft genügt schon eine gezielte Behandlung – und ein von Ihnen konsequent ausgeführtes Heimübungsprogramm. Ich berate Sie gern individuell, wie Sie Ihren Hund dabei optimal unterstützen können.